Buch MK - page 115

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Die Armen im Dorf
Früher war man nicht pflichtversichert. Die Selbständigen
haben oftmals nicht geklebt und standen im Alter ohne Rente
da. Der Ort an dem sie wohnten, musste sie ernähren.
Einer von denen muss der Vilser gewesen sein. Er konnte jeden
Tag zu einem anderen Bauern zum Essen gehen. Ich seh ihn
heute noch, ein kleines Männchen mit Bart. Die Kinder lachten
ihn aus. Er hatte im Winter verschiedene Häuser, wo er sich
aufwärmen durfte. Ein Haus war der Möst - heute Götz Xaver.
Ich war da öfter dort weil meine Tante auch dort wohnte. Die
Möst waren selber arm und mussten das Haus an Götz
verkaufen. Da saß der Vilser neben dem Ofen und schlief. Wir
Kinder unterhielten uns mit ihm. Einmal machten wir Spass
mit ihm. Er schlief so fest da nahmen wir eine Schnur und
banden ihn an den Stuhl, daß er nicht runter fiel. Für 1 Stück
Brot war er so dankbar, das nahm er dann mit heim. Das
Vilserhäuschen neben dem Pfarrhäuschen wurde abgerissen.
Auch arme Frauen gab es. Die konnten sich mit Einsagen von
Haus zu Haus ein paar Pfennige verdienen. Wenn jemand starb
ließen die Angehörigen zur Beerdigung einladen. Auch wenn
eine Notschlachtung war wurde es den Leuten gesagt. Die
Frauen halfen auch bei den Bauern arbeiten. Hauptsächlich in
der Erntezeit. Der Staat bezahlte nicht. Da waren oft Frauen mit
Kindern, die Väter waren dem Alkohol verfallen oder einfach
verlassen. Sie mußten mühselig ihre Kinder durchbringen und
schon in der Schulzeit bei den Bauern dienen. Wir leben heute
dagegen eigentlich wie im Schlaraffenland.
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